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Teil 2: Risiko und Risikoprämien
Risiko
In Teil 1 unserer Reihe zu Anlageklassen, Anlage-Allokation, Risiko und Diversifikation haben wir viel über Risiko und seine Auswirkungen auf die erwartete Rendite gesprochen. Doch bisher haben wir nicht geklärt, was genau Risiko eigentlich bedeutet. Hierbei steckt der Teufel im Detail.
Wenn man in der Literatur nach dem Begriff Risiko sucht, wird schnell deutlich, dass es keine einheitliche Definition gibt. Meistens wird Risiko jedoch mit Wahrscheinlichkeiten in Verbindung gebracht.
Die grundlegenden Überlegungen zum Risiko gehen zurück bis ins Jahr 1921. Dort wurde der Begriff „Unsicherheit“ als Überbegriff für drei Arten von Wahrscheinlichkeiten definiert: a priori (vorab), empirisch (auf Erfahrungen basierend) und subjektiv (persönliche Einschätzungen).
Um den Unterschied zwischen den Arten von Wahrscheinlichkeiten zu erklären, nehmen wir ein Beispiel zur Hilfe: Stellen Sie sich vor, Sie planen einen längeren Spaziergang und überlegen, ob Sie einen Regenschirm mitnehmen sollen. Wenn Sie keinen Regenschirm mitnehmen und es dann plötzlich anfängt zu regnen, werden Sie nass und könnten sich erkälten. Wenn Sie jedoch einen Regenschirm mitnehmen und es regnet nicht, haben Sie unnötigen und sperrigen Ballast dabei. Was tun Sie also, um eine Entscheidung zu treffen? In diesem Fall beurteilen Sie die Wahrscheinlichkeit dafür, dass es regnen wird, um Ihre Entscheidung zu treffen. Es gibt konkret drei Arten von Wahrscheinlichkeiten, die Sie in Betracht ziehen können:
Sie verlassen sich auf den Wetterbericht, der mit komplizierten Modellen Wahrscheinlichkeiten explizit berechnet. Dies bedeutet, dass Sie die Wahrscheinlichkeit aufgrund von vorab bekannten Informationen und Wahrscheinlichkeitstheorie (a priori) einschätzen.
Zählen Sie die Tage, an denen es in den letzten vier Wochen geregnet hat, und berechnen daraus eine Wahrscheinlichkeit, dann basiert Ihre Entscheidung auf einer empirischen Wahrscheinlichkeit.
Wenn Sie den Himmel analysieren und vermuten, dass es ‚wahrscheinlich‘ nicht regnen wird, verwenden Sie Ihre subjektive Wahrscheinlichkeit. Hierbei stützen Sie sich auf Ihre persönliche Einschätzung und Intuition.
Je nachdem, welche dieser Wahrscheinlichkeiten Sie für das Ereignis „Regen“ verwenden, treffen Sie Ihre Entscheidung, ob Sie den Regenschirm mitnehmen oder nicht.
Der Begriff Risiko umfasst sowohl a priori als auch empirische Wahrscheinlichkeiten und ist eine Unterkategorie von Unsicherheit. Was das Risiko von anderen Unsicherheiten unterscheidet, ist die Möglichkeit, es explizit zu berechnen[1]. Mit Risiko beziehen wir uns hier speziell auf das finanzielle Risiko aus Sicht von Investoren.
Risiken sind also Ereignisse, denen eine Wahrscheinlichkeit zugeordnet werden kann und mit Eintreten dieser Ereignisse ein finanzieller Verlust einhergeht.
Das Verständnis des Risikos ist von grundlegender Bedeutung, um die Funktionsweise von Finanzmärkten zu begreifen. Im Laufe der Zeit hat die Finanzwelt viele Methoden aus der Statistik und Stochastik übernommen und an ihre Bedürfnisse angepasst, um Risiko zu messen.
Diese Methoden dienen dazu, die Wahrscheinlichkeit und das Ausmaß möglicher Verluste oder Renditeschwankungen bei verschiedenen Investitionen zu analysieren. So können Investoren besser verstehen, welchen Risiken sie ausgesetzt sind und fundierte Entscheidungen treffen.
Die Details zu verschiedenen Methoden und deren Aussagekraft würden jedoch den Rahmen sprengen. Daher möchten wir an dieser Stelle nicht weiter in die Tiefe gehen.
[1] Auf der anderen Seite steht die sog. Ungewissheit und umfasst die subjektive Wahrscheinlichkeit, die dadurch charakterisiert ist, dass es keine Methode gibt, um sie zu messen.
Die erwartete Rendite und Risikoprämien
Das Eingehen von Risiken ist ein entscheidender Bestandteil der Geldanlage, da potenzielle Renditen tendenziell mit höherem Risiko steigen. Wenn ein Anleger bereit ist, höhere Risiken einzugehen, erwartet er eine zusätzliche Belohnung, die als Risikoprämie bezeichnet wird.
Die erwartete Rendite setzt sich aus den verschiedenen eingegangen Risikoprämien zusammen. Der Begriff erwartet ist hier von Bedeutung, da den verschiedenen Risiken unterschiedliche Wahrscheinlichkeiten zugrunde liegen.
Das Prinzip der additiven Risikoprämien lässt sich mit einer Pyramide vergleichen. Die Basis bildet immer der risikofreie Zinssatz, den jeder Investor mindestens verlangt. Der risikofreie Zinssatz variiert in der Literatur, einige Publikationen verwenden die Rendite von Staatsanleihen höchster Bonität, während andere Autoren Zinssätze von Zentralbanken heranziehen.
Im Wertpapierhandel gibt es verschiedene wichtige Beispiele für Risikoprämien. Dazu gehören das Marktrisiko, Länderrisiko, Emittentenrisiko, Gegenparteirisiko oder Liquiditätsrisiko. Investoren verlangen je nach Eintrittswahrscheinlichkeit für diese Risiken entsprechende Risikoprämien.
Das Marktrisiko (engl. market risk), auch als systematisches Risiko bezeichnet, entsteht durch verschiedene Faktoren wie Konjunkturzyklen, Zinsschwankungen, politische Ereignisse oder unvorhersehbare Geschehnisse. Es betrifft das gesamte Finanzsystem und kann zum Beispiel durch Ereignisse wie die Terroranschläge vom 11. September oder die Corona-Pandemie verursacht werden.
Beim Länderrisiko (engl. country risk) wird die Stabilität eines Landes berücksichtigt. Investitionen in politisch instabile Länder mit unregulierten Börsen bergen zahlreiche Risiken.
Das Emittentenrisiko (engl. issuer risk) beschreibt die Gefahr, dass der Herausgeber eines Wertpapiers seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, während das Gegenparteirisiko (engl. counter party risk) das Risiko beschreibt, dass die Gegenpartei in einem Finanzgeschäft ihre Verpflichtungen nicht erfüllt.
Das Liquiditätsrisiko (engl. liquidity premium) bezieht sich auf die Gefahr, dass ein Investment aufgrund geringen Handelsvolumens nicht schnell genug verkauft werden kann, ohne erhebliche Verluste zu erleiden.
Die Höhe der Risikoprämie variiert somit je nach Anlageklasse und dem damit verbundenen Risiko. Es ist ein wichtiger Faktor, den Investoren bei ihren Entscheidungen berücksichtigen, um eine angemessene Rendite für das eingegangene Risiko zu erhalten.