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Wie funktioniert unser Geldsystem? – Teil 4: Eine kritische Betrachtung unseres Geldsystems

Die grundlegenden Zusammenhänge in den Teilen 1 und 2 aufgezeigt, möchten wir uns jetzt genauer mit der Thematik befassen und der Frage nachgehen, warum unser Wirtschaftssystem immer neue Kredite braucht, um zu existieren. Um das zu verstehen sollten wir ganz vorne beginnen.

Wir haben bereits gesehen, dass Banken Kredite aus dem Nichts erzeugen. Folglich muss es einen Tag X gegeben haben, an dem das erste Mal Geld geschöpft wurde. Betrachten wir diesen Fall einmal genauer.

Angenommen, es existiert kein Geld. Nun aber möchte eine Familie ein Haus bauen und benötigt dafür 1.000 EUR. Weil es noch kein Geld gibt, geht die Familie zur Bank, die ihr wie von Zauberhand 1.000 EUR auf ihr Konto gutschreibt.

Ein Handwerksunternehmen baut das Haus und die Familie überweist das Geld auf das Konto des Handwerkers. Der Handwerker verteilt das Geld wiederum auf seine Mitarbeiter (Löhne), begleicht Materialrechnungen usw.

Jeder weiß aber, dass man den Kredit nicht umsonst bekommt – es werden Zinsen fällig, nehmen wir an, insgesamt 100 EUR. Wir erinnern uns, es existieren insgesamt nur 1.000 EUR. Woher sollen also die fehlenden 100 EUR für die fälligen Zinsen genommen werden?

Die Antwort liegt auf der Hand, sie müssen neu geschaffen werden. Und wie schöpft man Geld? Durch Schulden! Nur so können die Zinsen bezahlt werden.

Mit dem Gewinn von einem Unternehmen verhält es sich genauso. Betrachten wir nochmal den Handwerksbetrieb. Um einen Gewinn zu erwirtschaften bedarf es mehr Einnahmen als Ausgaben. Der Unternehmer könnte seine Ausgaben senken, indem er eine Maschine kauft, die effizienter arbeitet. Mit anderen Worten: Er muss investieren.

Die existierenden 1.000 EUR aber hat der Handwerker ja nicht mehr, er musste davon Material und Arbeiter bezahlen. Was bleibt dem Handwerker also übrig? Er muss einen Kredit beantragen und damit wird die Investition zur Schuld, auf die er irgendwann auch wieder Zinsen bezahlen muss. Angenommen, er bekommt einen Kredit über 500 EUR und zahlt darauf 50 EUR Zinsen.

Damit wird zunächst die Geldmenge um 500 EUR auf 1.500 EUR ausgeweitet.
Mit der Maschine kann der Handwerker dann mehr produzieren, das heißt die Realwirtschaft wächst. Gleichzeitig aber auch die Geldmenge.

Dieser Zusammenhang muss nun auf die gesamte Volks-, wenn nicht sogar Weltwirtschaft übertragen werden. Es wird deutlich, dass Arbeit kein Geld schafft. Schulden schaffen Geld! Denn irgendjemand muss neues Geld (in Form von Schulden) schaffen, damit die 150 EUR an noch offenen Zinsen geschöpft werden.

Das Paradoxe an der ganzen Angelegenheit ist:

Wenn die Geldmenge steigt, dann wächst die Wirtschaft und die Wirtschaft wächst, wenn die Geldmenge steigt. Die Geldmenge steigt aber nur durch Schulden. Geld entsteht also nicht aus wirtschaftlicher Aktivität, Geld entsteht aus Geld.

Das gesamte System kann eigentlich relativ einfach zusammengefasst werden. Die Gewinne von heute sind die Schulden von morgen. Oder anders formuliert, alte Schulden können nur durch neue Kredite bedient werden.

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