Kategorie: Finanzwissen

Wie funktioniert unser Geldsystem? – Teil 1: Es werde Geld

Zentralbanken und Geldmärkte spielen eine essenzielle Rolle im globalen Finanzsystem und sind ein zentraler Bestandteil der Kapitalmärkte. Doch die Zusammenhänge und Hintergründe sind nicht so leicht zu durchschauen, wie man zunächst vermuten mag. Ebenso ist vielen Menschen nicht vollständig bewusst, welchen Einfluss Zentralbanken und Geldmärkte grundsätzlich auf jeden Einzelnen ausüben.

Dieser Beitrag soll in Grundzügen helfen, diese Zusammenhänge und Wirkungsweisen nachzuvollziehen.

Was ist Geld eigentlich?

In Lehrbüchern wird die Frage nach der Definition von Geld oft mit einer Aufzählung seiner Funktionen beantwortet, nämlich als Tauschmittel, Recheneinheit und Wertaufbewahrungsmittel. Dabei werden auch Vorteile wie die Teilbarkeit des Geldes häufig erwähnt. All dies ermöglicht zweifellos einen bequemen und praktischen Umgang im alltäglichen Wirtschaftsleben, doch eine zufriedenstellende Antwort ist damit nicht gegeben.

Bei genauerem Studium findet man oft im Zusammenhang mit der Definition weitere Informationen zu den verschiedenen Formen von Geld oder zur Geschichte des Geldes.

Geld kann heutzutage vielfältige Gestalt annehmen. Die offensichtlichsten Formen sind Bargeld, Kontostände, digitales Geld oder auch Schulden. Allerdings wird damit nicht die Frage beantwortet, was Geld eigentlich ist, sondern eher wie Geld aussehen kann.

Die Geschichte des Geldes zeigt, dass die Urformen von Geld auf Naturalwaren wie Felle oder Vieh zurückgehen. Dieses Naturalgeld wurde dann im Laufe der Zeit von Waren wie Gold, Salz oder Muscheln ergänzt oder abgelöst.

Doch die eigentliche Frage, was Geld eigentlich ist, wird nur selten erörtert. Geld stellt im Wesentlichen eine Wechselwirkung aus Versprechen und Vertrauen dar, die zu einer allgemeinen Akzeptanz führt. Auf der einen Seite gibt es das Versprechen, dass Geld gegen einen entsprechenden Gegenwert eingetauscht werden kann, und auf der anderen Seite steht das Vertrauen, dass dieses Versprechen auch eingehalten wird. Es wird deutlich, dass dieser Zusammenhang besonders offensichtlich wird, wenn man sich bewusst macht, dass das Geld, wie wir es heute kennen, an sich wertlos ist. Die Herstellungskosten belaufen sich auf Cent-Beträge.

Es wird klar, dass Geld viel abstrakter zu verstehen ist, als man ursprünglich annehmen mag.

Das Geld, das wir heute kennen und letztendlich als „greifbares Vertrauen“ betrachten, ist in Wirklichkeit gar nicht so greifbar. Der Großteil des Geldes existiert in Form von Bits und Bytes und liegt auf den Servern der Banken. Nur ein Bruchteil des tatsächlich vorhandenen Geldes besteht aus Münzen und Scheinen. Um die verschiedenen Erscheinungsformen von Geld voneinander abzugrenzen, wird das Geld in drei Kategorien, die als Geldmengen bezeichnet werden, eingeteilt.

Geldmenge M1, M2 und M3

Die Geldmenge bezieht sich auf die Gesamtmenge an Geld, die in einer Volkswirtschaft im Umlauf ist. Die Europäische Zentralbank (EZB) definiert drei monetäre Aggregate: M1, M2 und M3. Die eng gefasste Geldmenge M1 bezieht sich auf die unmittelbaren Zahlungsmittel der Nichtbanken und umfasst den Bargeldumlauf (Banknoten und Münzen) und die täglich fälligen Sichteinlagen (Giralgeld) bei den Kreditinstituten. Die mittlere Geldmenge M2 beinhaltet M1 und darüber hinaus Einlagen mit einer vereinbarten Laufzeit von bis zu zwei Jahren und Einlagen mit einer vereinbarten Kündigungsfrist von bis zu drei Monaten. Die weit gefasste Geldmenge M3 enthält zusätzlich zu M2 auch Verbindlichkeiten aus Repogeschäften, Schuldverschreibungen mit Laufzeiten bis zu zwei Jahren inklusive Anteile von Geldmarktfonds und Geldmarktpapieren. Im Allgemeinen bezieht sich die Geldmenge auf M3. Jedes Aggregat erfasst verschiedene Geldvermögen und ermöglicht so eine differenzierte Analyse der Geldversorgung in der Wirtschaft. Die EZB steuert die Geldpolitik im Euroraum und hat insbesondere die Geldmenge M3 im Fokus.

Die verschiedenen Geldmengen dienen als konzeptionelle Kategorien, um die verschiedenen Erscheinungsformen von Geld zu klassifizieren. Als nächstes werden wir uns damit beschäftigen, woher das Geld eigentlich stammt, das wir in diese Kategorien einordnen.

Es ist wichtig zu verstehen, dass die Geldmenge eine bedeutende Rolle in der Geldpolitik spielt. Insgesamt sind die monetären Aggregate und die Geldmengensteuerung durch die EZB wichtige Instrumente zur Regulierung der Geldpolitik im Euroraum. Sie dienen dazu, die Geldversorgung zu steuern und die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu beeinflussen. Wie wir im weiteren Verlauf sehen werden, ermöglicht eine umfassende Analyse der Geldmenge, die Auswirkungen auf die Inflation, die Zinssätze und das Wirtschaftswachstum zu verstehen.

Wie entsteht modernes Geld?

Um dieser Frage nachzugehen, müssen wir zunächst zwischen Bargeld und Buchgeld unterscheiden. Als Bargeld bezeichnen wir Münzen und Scheine, deren Herstellung ausschließlich durch die Zentralbank erfolgt. Buchgeld hingegen wird von Privat- und Geschäftsbanken durch die private Kreditvergabe an Haushalte oder Unternehmen erzeugt. Dieser Prozess wird als Geldschöpfung bezeichnet und stellt den Mechanismus dar, durch den neues Geld in die Wirtschaft gelangt.

Interessanterweise entsteht Geld praktisch aus dem Nichts. Stellen Sie sich vor, Sie schreiben eine beliebige Zahl auf einen Zettel und diese Zahl wird zu Geld. Dieses Vorgehen veranschaulicht im Grunde genommen, wie Banken Geld schöpfen. Allerdings erfolgt dieser Prozess heutzutage digital, indem die Bank den entsprechenden Betrag auf dem Konto des Kunden gutschreibt – wir nennen das Kredit.

Hierbei ist zu beachten, dass die Bank die Kredithöhe nicht als Einlage vorliegen haben muss und auch nicht als physische Reserven in ihrem Tresor halten muss. Banken können mehr Geld ausleihen, als sie tatsächlich als physische Reserven besitzen. Sie müssen lediglich eine Mindestreserve (einen kleinen Prozentsatz des Kredits) bei der Zentralbank halten, um ausreichende Liquidität und ein stabiles Bankensystem zu gewährleisten.

Die Möglichkeit der Banken, je nach Bedarf Geld zu schöpfen, ist einer der Gründe, warum unser Geldsystem als Fiat-System bezeichnet wird. Das Wort „fiat“ stammt aus dem Lateinischen und bedeutet „es werde“. Das Fiat-Geldsystem bedeutet also im Wesentlichen, dass Geld durch einen gesetzlichen Beschluss geschaffen wird.

Es ist wichtig zu betonen, dass das Vertrauen der Menschen in dieses Fiat-Geldsystem von entscheidender Bedeutung ist. Solange das Vertrauen in die Werthaltigkeit und die Akzeptanz des Geldes erhalten bleibt, kann das Fiat-Geld seinen Zweck als Tauschmittel, Recheneinheit und Wertaufbewahrungsmittel erfüllen.


Anlageklassen, Allokation, Risiko und Diversifikation – Teil 3: Diversifikation und Moderne Portfoliotheorie

Diversifikation

Zusätzlich zum systematischen Risiko existiert noch das unsystematische (idiosynkratische oder unternehmensspezifische) Risiko. Dieses Risiko ist gezielt mit bestimmten Unternehmen oder Branchen verbunden und entsteht beispielsweise durch Wettbewerbsfaktoren, rechtliche Umstände oder Managemententscheidungen.

An dieser Stelle kommt das Konzept der Diversifikation ins Spiel. Diversifikation ist letztlich eine übergeordnete Investmentstrategie, mit der das gesamte Risiko eines Portfolios auf die Investments verteilt und verkleinert wird.

Im Gegensatz zum systematischen Risiko kann das idiosynkratische Risiko durch Diversifikation reduziert werden.

Das heißt also, dass durch die Streuung des Kapitals ein Investor die negativen Auswirkungen eines einzelnen Wertpapiers auf das Portfolio reduzieren kann.

Diversifikation findet auf verschiedenen Ebenen statt. Diese Ebenen werden durch den Risikotypen bestimmt.

In der Wissenschaft gibt es drei Risikotypen von Anlegern: risikoaffin, risikoneutral und risikoavers.

Ein risikoaffiner Anleger ist bereit, bewusst Risiken einzugehen, um die damit verbundenen Risikoprämien zu nutzen. Das bedeutet aber nicht, dass ein solcher Anleger nicht diversifiziert sein sollte. Man kann beispielsweise ein riskantes Aktienportfolio nach Länder bzw. geografische Regionen oder  Branchen aufteilen.

Ebenso kann ein risikoaverser Anleger, also ein solcher, der das Risiko scheut, vorgehen. Allerdings wird er möglicherweise geringere Risikoprämien auf dem Anleihenmarkt nutzen.

Ein risikoneutraler Investor möchte in der Regel sein Gesamtportfolio zumindest nicht vollständig einem hohem Risiko aussetzen. Er hat die Möglichkeit, sein Vermögen über verschiedene Anlageklassen und deren spezifischen Risikoprämien zu streuen. Eine Diversifikation über Anlageklassen stellt eine weitere, übergeordnete Ebene dar. Wie bereits im Teil 1 dieser Aufsatzreihe herausgearbeitet, weisen Anleihen oder Rohstoffe signifikant andere Risikomerkmale auf. Dadurch können potenzielle Verluste in einer Anlageklasse durch mögliche Gewinne in einer anderen ausgeglichen werden.

Eine oft selbst von professionellen Anlegern nicht beachtete letzte Ebene der Diversifikation liegt in der Anlagestrategie selbst. Es gibt keinen heiligen Gral des Investierens. Was es hingegen gibt sind Strategien, die je nach weltwirtschaftlicher Situation mal besser und mal schlechter funktionieren. Ein Einblick und Überblick über verschiedene Anlagestrategien folgt in einem weiteren Artikel.

Insgesamt sind die Umstände des Investors entscheidend, welche Ausgestaltung die Diversifizierung haben muss. Neben persönlichen Umständen ist die steuerliche Situation, der Anlagehorizont, regulatorische und rechtliche Gegebenheiten und natürlich die Risikoneigung zu berücksichtigen. Für eine genaue Ausgestaltung bietet beispielsweise eine professionelle Finanzplanung Unterstützung.

Fakt ist, dass für einen langfristigen Anlageerfolg Diversifikation eine der wenigen Determinanten ist, die maßgeblich zu diesem Erfolg beitragen. Wie der Ökonom und Nobelpreisträger Harry Markowitz einst sagte

“There is no free lunch except diversification”

was man mit “man bekommt [auf den Finanzmärkten] nichts geschenkt, außer Diversifikation“ übersetzen kann. Wie man sich dieses „free lunch“ zu Nutze macht erläutern wir im dritten Teil.

Moderne Portfoliotheorie

Die Moderne Portfoliotheorie ist ein vom Nobelpreisträger Harry Markowitz in den 1950er entwickeltes Konzept, das auf zwei grundlegenden Prinzipien beruht: Diversifikation und Effizienz.

Das Hauptziel der Theorie ist es, das Risiko eines Portfolios durch Diversifikation zu minimieren, ohne die potenzielle Rendite zu beeinträchtigen. Hintergrund dieser Überlegung ist die sogenannte Effizienzlinie (engl. efficient frontier). Stellen Sie sich vor, sie sind ein risikoaffiner Investor, akzeptieren aber nur einen bestimmten Grad an Risiko. Dazu mischen Sie in ihrem Portfolio verschiedene Anlageklassen wild durcheinander und berechnen im Anschluss das Risiko und die erwartete Rendite des von Ihnen konstruierten Portfolios. Es ist durchaus möglich, dass es andere Kombinationen der Anlagen gibt, die bei gleichem Risiko eine höhere erwartete Rendite haben. Sie wählen dann natürlich jene Kombination, bei der sie mit ihrem akzeptierten Risiko die höchste Rendite erwarten können. Ein anderer Investor ist noch viel risikofreudiger als Sie und er akzeptiert ein höheres Risiko. Er wird zwar auch verschiedene Anlagen mischen (diversifizieren), aber er verwendet hauptsächlich Anlagen mit einer höheren Risikoprämie. Auch er wird dann die Kombination wählen, die bei seinem akzeptierbaren Risiko die maximale erwartete Rendite abwirft.  

In beiden Fällen gibt es aber stets eine natürliche Begrenzung, nämlich die maximale erwartete Rendite  bei gegebenen Risiko. In anderen Worten, bei einem akzeptierten Risiko gibt es eine maximal mögliche Rendite. Eine noch höhere erwartete Rendite ist nur möglich, wenn man mehr Risiko akzeptiert.

Die Effizienzlinie ist dann zu jedem Risikoniveau die dazugehörige maximale zu erwartende Rendite.

Den anderen Startpunkt kann man natürlich auch wählen. Möchte ein Investor eine bestimmte Rendite erzielen (beispielsweise weil er davon Darlehen bezahlen oder Ausschüttungen erzielen muss), dann muss er bereit sein, das dazugehörige Risiko einzugehen.

Nichtsdestotrotz sollten Investoren immer bestrebt sein, Portfolios zu konstruieren, die entlang dieser Effizienzlinie liegen, um die bestmöglichen Renditen für das eingegangene Risiko zu erzielen.

Die Moderne Portfolio Theorie ist ein großes mathematisches Konstrukt. Das faszinierende an der Mathematik ist, dass man Theorien in einer Einfachheit darstellen und mit einer Klarheit beweisen kann, dass keine Interpretationsspielräume übrig bleiben.

Die Moderne Portfolio Theorie zeigt, dass durch die Diversifikation eines Portfolios das Risiko reduziert werden kann, ohne dass die erwartete Rendite erheblich abnimmt.

Die Grundgedanken der Modernen Portfolio Theorie wurden im Laufe der Zeit sowohl von Praktikern, als auch von Theoretikern stetig weiterentwickelt.

Insgesamt bildet die Moderne Portfoliotheorie eine wertvolle Basis für Anleger, um ihre Anlageentscheidungen auf wissenschaftlichen Prinzipien zu begründen und ihre Portfolios auf eine Weise zu strukturieren, die ihren individuellen Rendite-Risiko-Präferenzen am besten entspricht.

Bissantz, Nicolai/ Steinorth, Verena/ Ziggel, Daniel (2011): Stabilität von Diversifikationseffekten im Markowitz-Modell. AStA Wirtsch Sozialstat Arch 5, 145–157 (2011).
Carver, R. (2017). Smart Portfolios: A practical guide to building and maintaining intelligent investment portfolios. Harriman House Limited.
Dahlmanns, Jens (2009): Erfolgreiche Diversifikation von Geldanlagen. Neue Strategien der Asset Allocation. 1. Auflage. Igel Verlag.
De Prado, M. L. (2018). Advances in financial machine learning. John Wiley & Sons.
Knight, F. H. (1921). Risk, uncertainty and profit (Vol. 31). Houghton Mifflin.
Schierenbeck, H., & Wöhle, C. B. (1996). Grundzüge der Betriebswirtschaftslehre. Oldenbourg.
Söhnholz, Dirk/ Rieken, Sascha/ Kaiser, Dieter G. (2010): Asset Allocation, Risiko-Overlay und Manager-Selektion. Das Diversifikationsbuch. Wiesbaden: Gabler Verlag.
Spremann, Klaus (2008): Portfoliomanagement. 4., überarbeitete Auflage. München: Oldenbourg Verlag.


Anlageklassen, Allokation, Risiko und Diversifikation – Teil 2: Risiko und Risikoprämien

Risiko

In Teil 1 unserer Reihe zu Anlageklassen, Anlage-Allokation, Risiko und Diversifikation haben wir viel über Risiko und seine Auswirkungen auf die erwartete Rendite gesprochen. Doch bisher haben wir nicht geklärt, was genau Risiko eigentlich bedeutet. Hierbei steckt der Teufel im Detail.

Wenn man in der Literatur nach dem Begriff Risiko sucht, wird schnell deutlich, dass es keine einheitliche Definition gibt. Meistens wird Risiko jedoch mit Wahrscheinlichkeiten in Verbindung gebracht.

Die grundlegenden Überlegungen zum Risiko gehen zurück bis ins Jahr 1921. Dort wurde der Begriff „Unsicherheit“ als Überbegriff für drei Arten von Wahrscheinlichkeiten definiert: a priori (vorab), empirisch (auf Erfahrungen basierend) und subjektiv (persönliche Einschätzungen).

Um den Unterschied zwischen den Arten von Wahrscheinlichkeiten zu erklären, nehmen wir ein Beispiel zur Hilfe: Stellen Sie sich vor, Sie planen einen längeren Spaziergang und überlegen, ob Sie einen Regenschirm mitnehmen sollen. Wenn Sie keinen Regenschirm mitnehmen und es dann plötzlich anfängt zu regnen, werden Sie nass und könnten sich erkälten. Wenn Sie jedoch einen Regenschirm mitnehmen und es regnet nicht, haben Sie unnötigen und sperrigen Ballast dabei. Was tun Sie also, um eine Entscheidung zu treffen? In diesem Fall beurteilen Sie die Wahrscheinlichkeit dafür, dass es regnen wird, um Ihre Entscheidung zu treffen. Es gibt konkret drei Arten von Wahrscheinlichkeiten, die Sie in Betracht ziehen können:

Sie verlassen sich auf den Wetterbericht, der mit komplizierten Modellen Wahrscheinlichkeiten explizit berechnet. Dies bedeutet, dass Sie die Wahrscheinlichkeit aufgrund von vorab bekannten Informationen und Wahrscheinlichkeitstheorie (a priori) einschätzen.

Zählen Sie die Tage, an denen es in den letzten vier Wochen geregnet hat, und berechnen daraus eine Wahrscheinlichkeit, dann basiert Ihre Entscheidung auf einer empirischen Wahrscheinlichkeit.

Wenn Sie den Himmel analysieren und vermuten, dass es ‚wahrscheinlich‘ nicht regnen wird, verwenden Sie Ihre subjektive Wahrscheinlichkeit. Hierbei stützen Sie sich auf Ihre persönliche Einschätzung und Intuition.

Je nachdem, welche dieser Wahrscheinlichkeiten Sie für das Ereignis „Regen“ verwenden, treffen Sie Ihre Entscheidung, ob Sie den Regenschirm mitnehmen oder nicht.

Der Begriff Risiko umfasst sowohl a priori als auch empirische Wahrscheinlichkeiten und ist eine Unterkategorie von Unsicherheit. Was das Risiko von anderen Unsicherheiten unterscheidet, ist die Möglichkeit, es explizit zu berechnen[1]. Mit Risiko beziehen wir uns hier speziell auf das finanzielle Risiko aus Sicht von Investoren.

Risiken sind also Ereignisse, denen eine Wahrscheinlichkeit zugeordnet werden kann und mit Eintreten dieser Ereignisse ein finanzieller Verlust einhergeht.

Das Verständnis des Risikos ist von grundlegender Bedeutung, um die Funktionsweise von Finanzmärkten zu begreifen. Im Laufe der Zeit hat die Finanzwelt viele Methoden aus der Statistik und Stochastik übernommen und an ihre Bedürfnisse angepasst, um Risiko zu messen.

Diese Methoden dienen dazu, die Wahrscheinlichkeit und das Ausmaß möglicher Verluste oder Renditeschwankungen bei verschiedenen Investitionen zu analysieren. So können Investoren besser verstehen, welchen Risiken sie ausgesetzt sind und fundierte Entscheidungen treffen.

Die Details zu verschiedenen Methoden und deren Aussagekraft würden jedoch den Rahmen sprengen. Daher möchten wir an dieser Stelle nicht weiter in die Tiefe gehen.

[1] Auf der anderen Seite steht die sog. Ungewissheit und umfasst die subjektive Wahrscheinlichkeit, die dadurch charakterisiert ist, dass es keine Methode gibt, um sie zu messen.

Die erwartete Rendite und Risikoprämien

Das Eingehen von Risiken ist ein entscheidender Bestandteil der Geldanlage, da potenzielle Renditen tendenziell mit höherem Risiko steigen. Wenn ein Anleger bereit ist, höhere Risiken einzugehen, erwartet er eine zusätzliche Belohnung, die als Risikoprämie bezeichnet wird.

Die erwartete Rendite setzt sich aus den verschiedenen eingegangen Risikoprämien zusammen. Der Begriff erwartet ist hier von Bedeutung, da den verschiedenen Risiken unterschiedliche Wahrscheinlichkeiten zugrunde liegen.

Das Prinzip der additiven Risikoprämien lässt sich mit einer Pyramide vergleichen. Die Basis bildet immer der risikofreie Zinssatz, den jeder Investor mindestens verlangt. Der risikofreie Zinssatz variiert in der Literatur, einige Publikationen verwenden die Rendite von Staatsanleihen höchster Bonität, während andere Autoren Zinssätze von Zentralbanken heranziehen.

Im Wertpapierhandel gibt es verschiedene wichtige Beispiele für Risikoprämien. Dazu gehören das Marktrisiko, Länderrisiko, Emittentenrisiko, Gegenparteirisiko oder Liquiditätsrisiko. Investoren verlangen je nach Eintrittswahrscheinlichkeit für diese Risiken entsprechende Risikoprämien.

Das Marktrisiko (engl. market risk), auch als systematisches Risiko bezeichnet, entsteht durch verschiedene Faktoren wie Konjunkturzyklen, Zinsschwankungen, politische Ereignisse oder unvorhersehbare Geschehnisse. Es betrifft das gesamte Finanzsystem und kann zum Beispiel durch Ereignisse wie die Terroranschläge vom 11. September oder die Corona-Pandemie verursacht werden.

Beim Länderrisiko (engl. country risk) wird die Stabilität eines Landes berücksichtigt. Investitionen in politisch instabile Länder mit unregulierten Börsen bergen zahlreiche Risiken.

Das Emittentenrisiko (engl. issuer risk) beschreibt die Gefahr, dass der Herausgeber eines Wertpapiers seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, während das Gegenparteirisiko (engl. counter party risk) das Risiko beschreibt, dass die Gegenpartei in einem Finanzgeschäft ihre Verpflichtungen nicht erfüllt.

Das Liquiditätsrisiko (engl. liquidity premium) bezieht sich auf die Gefahr, dass ein Investment aufgrund geringen Handelsvolumens nicht schnell genug verkauft werden kann, ohne erhebliche Verluste zu erleiden.

Die Höhe der Risikoprämie variiert somit je nach Anlageklasse und dem damit verbundenen Risiko. Es ist ein wichtiger Faktor, den Investoren bei ihren Entscheidungen berücksichtigen, um eine angemessene Rendite für das eingegangene Risiko zu erhalten.


Anlageklassen, Allokation, Risiko und Diversifikation – Teil 1: Was sind Anlageklassen?

Die Welt der Finanzen kann mit ihren Fachbegriffen und komplexen Konzepten oft verwirrend wirken. In dieser Artikelreihe möchten wir Ihnen eine leicht verständliche Einführung in die Portfoliotheorie geben – ein fundamentales Konzept, das Ihnen dabei hilft, Ihre Finanzentscheidungen besser zu verstehen und zu treffen.

Teil 1: Anlageklassen

Der Mensch nutzt Kategorien, um Ordnung zu schaffen und Dinge besser zu verstehen. Ähnlich wie wir Verkehrsmittel in Flugzeuge, Züge, Autos und Schiffe einteilen, gibt es auf dem Finanzmarkt auch solche Kategorien, die als Anlageklassen (engl. Asset Classes) bezeichnet werden. Jede Anlageklasse hat spezifische Eigenschaften wie erwartete Rendite, Risiko und rechtliche/regulatorische Rahmenbedingungen. Investitionen, die ähnliche Merkmale teilen, werden in einer gemeinsamen Anlageklasse zusammengefasst. Eine vorläufige grobkörnige Einteilung von verschiedenen Anlageklassen ist.

AktienFestverzinslichLiquidität

Dabei kann man bei Aktien die höchste Rendite erwarten, aber auch das höchste Risiko. Dies beruht auf einem grundlegenden Prinzip der Portfoliotheorie: Die erwartete Rendite steigt mit dem eingegangenen Risiko. Die Frage, warum die erwartete Rendite bei Aktien am höchsten ist, ist daher irreführend. Stattdessen sollte man fragen, warum das eingegangene Risiko bei Aktien am höchsten ist.

Der entscheidende Unterschied liegt in der rechtlichen Perspektive. Wenn man in Aktien investiert, wird man zum Anteilseigner des entsprechenden Unternehmens. Bei Anleihen hingegen leiht man dem Unternehmen Geld und wird somit zum Kreditgeber.

Im Falle der Firmeninsolvenz werden zuerst die Kreditgeber bedient, da sie rechtlich Vorrang haben. Das bedeutet, dass nach der Bedienung der Schulden des Unternehmens nur noch begrenztes Vermögen für die Aktionäre übrig bleiben kann, was das Risiko erhöht, dass die Aktionäre keinen Gewinn erzielen.

Liquidität, also das Halten von Barmitteln, birgt das geringste Risiko, obwohl es ein Irrglaube ist zu denken, dass Liquidität gar kein Risiko hat. Bei einer Währungsreform oder der Insolvenz der Bank, bei der das Konto geführt wird, kann Liquidität verschwinden. Solche Ereignisse sind jedoch eher unwahrscheinlich, weshalb die Rendite von Liquidität gering ist. Hier erkennen wir einen grundlegenden Mechanismus: Kapitalmärkte funktionieren auf der Basis von Wahrscheinlichkeiten.

Genauso wie Verkehrsmittel feiner unterteilt werden können, zum Beispiel in Helikopter und Flugzeuge, ist auch eine detailliertere Kategorisierung bei Finanzanlagen üblich.

AktienFestverzinslichLiquidität
MegaLargeMidSmallMicroStaatsanleihen  Unternehmens-anleihenBargeld, Girokonto

Lassen Sie uns wieder bei Aktien anfangen. Eine Aktie repräsentiert einen Anteil an einem Unternehmen. Wenn man alle ausgegebenen Aktien eines Unternehmens besitzt, gehört einem automatisch das gesamte Unternehmen. Das Kapital, das erforderlich ist, um alle Aktien eines Unternehmens zu kaufen, wird als Marktkapitalisierung bezeichnet (engl „Market Cap“). Üblicherweise werden Unternehmen basierend auf ihrer Marktkapitalisierung in verschiedene Kategorien eingeteilt: Mega Caps, Large Caps, Mid Caps, Small Caps und Micro Caps.

Größere Unternehmen mit hoher Markt- und Preissetzungsmacht haben in der Regel ein geringeres Risiko und damit auch eine erwartete Rendite, die niedriger ist. Im Gegensatz dazu weisen kleinere Unternehmen mit einem höheren Risiko einer möglichen Insolvenz eine unterschiedliche Risikostruktur innerhalb der übergeordneten Anlageklasse auf.

Wenn wir tiefer in die Welt der festverzinslichen Anlagen eintauchen, können wir allgemein zwischen den Emittenten unterscheiden: Staaten und Unternehmen. Hier finden wir ebenfalls unterschiedliche Renditen, da die Rückzahlungswahrscheinlichkeiten variieren können. Anleihen von Staaten, bei denen eine gewisse Unsicherheit über die Rückzahlung besteht, werden zu einer höheren Rendite gehandelt als Anleihen von Ländern mit guter Bonität, wie zum Beispiel Deutschland. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Wertpapier am Ende der Laufzeit vollständig zurückbezahlt wird, wird hier also preislich berücksichtigt. Ähnliches gilt auch für Unternehmensanleihen.

In beiden Fällen werden Anleihen mit niedriger Bonität als „Junk-Bonds“ oder „High-Yield-Bonds“ bezeichnet.

Zusätzlich zu diesen beiden Unterkategorien gibt es auch Schuldverschreibungen und Pfandbriefe als weitere Formen von festverzinslichen Wertpapieren.

Eine besondere Stellung nehmen sog. Hybride ein. Bleiben wir beim Beispiel der Verkehrsmittel, dann ähneln solche Hybride Amphibienfahrzeugen, wie sie beispielsweise in Salzburg zum Einsatz kommen und Touristen sowohl auf der Straße als auch auf der Salzach die Stadt erkunden können. Ebenso gibt es auf dem Kapitalmarkt solche hybriden Formen, die zur Gruppe der festverzinslichen Wertpapiere gehören, aber die Option haben, in Eigenkapital (Aktien) umgewandelt werden zu können. Aus diesem Grund werden solche Wertpapiere als „Wandelanleihen“ bezeichnet.

Eine weitere Kategorisierung bei festverzinslichen Wertpapieren bezieht sich auf die (Rest)Laufzeit, also den Zeitraum zwischen (Kauf) Ausgabe des Wertpapiers und dem Zeitpunkt, zu dem die Anleihe zurückgezahlt wird. Hier gilt, dass die Rendite umso geringer ist, je kürzer die Laufzeit ist. Ein möglicher Erklärungsansatz hierfür liegt in der Risikokomponente. Wenn man den Kredit schneller zurückbezahlt bekommt, ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Unternehmen zahlungsunfähig wird und man nicht vollständig bedient wird, geringer.

Es gibt noch zahlreiche weitere Anlageklassen mit ihren jeweils eigenen Charakteristika und Verhaltensweisen. Ohne ins Detail zu gehen sind das Rohstoffe, Währungen, Private Equity, Immobilien, Sammlerstücke, Derivate und Volatilität.